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Portrait Viziotis

 

Porträt Richard Viziotis, Inhaber des Pflegedienst Stuttgart-West

von Andrian Zielcke (2014)

Richard Viziotis spricht mit Herzblut, es sprudelt aus ihm heraus. Sei es sein Umgang mit Patienten: ,,Ich liebe kritische Patienten". Sei es ein Blick auf den 94jährigen ehemaligen Bundeskanzler, der geistig so fit ist wie es viele 40jährige nicht sind: ,,Ich liebe Helmut Schmidt". Es ist schier unmöglich, sich Richard Viziotis als einen gelangweilten, gleichgültigen Menschen vorzustellen. Das ist gut so. Sonst hätte er ja auch seinen Beruf, seine Berufung verfehlt: den Umgang mit Menschen, die Pflege von kranken, von alten, von sterbenden Menschen.

Dabei verkörpert Viziotis in seiner Person deutsche Geschichte, ihre dunkle Vergangenheit wie ihre Zukunft als alternde Gesellschaft - wie auch den Wandel der württembergischen Hauptstadt von einer schwäbischen Stadt zu einem beispielhaften multikulturellen Ort. Sein Vater ist im Zweiten Weltkrieg von Deutschen verschleppt worden, er hat eine Schwäbin geheiratet. Geprägt haben ihn die Werte seiner Großmutter, geradezu ein Urschwabe also.

Niemand vermutet in der stillen, weithin unbekannten ,,Förstlerstraße" in Botnang einen Pflegedienst. Hier herrscht Grün vor, kleine Teiche mit Fischen beleben die Gärten, eine Vorortidylle sondergleichen. Und ein Gegengewicht zu seiner Arbeit. Hier hat sein Pflegedienst seinen Sitz, ein völlig unabhängiges Unternehmen, das natürlich vernetzt ist, aber rechtlich eben völlig unabhängig. ,,Damals, als 1995 die Pflegeversicherung eingeführt worden ist, damals haben meine Frau und ich gesehen, dass die Menschen hier immer älter werden, dass sie Pflege brauchen. Bis dahin gab es auf dem ,,Pflegemarkt" die Caritas und die Diakonie. Das war es im Wesentlichen. Privat organisierte Einrichtungen gab es kaum. Wir haben damals beide im Lothar-Christmann-Haus in Hoffeld gearbeitet, einem Pflege-, Wohn- und Altersheim der Paritätischen Wohlfahrt“. Er war schon damals in der Pflegedienstleitung tätig, aber sowohl er wie auch seine Frau Christine waren als Altenpfleger ausgebildet. Beim Schwäbischen Frauenverein hat er seine Ausbildung erhalten, und sich weiter qualifiziert im Pflegemanagement - einer immer wichtiger werdenden Aufgabe in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Aber vor diesen ,,Grundberufen" hat Richard Viziotis ein ganz anderes Leben geführt.

Denn er wollte als junger Mann Geld verdienen, er war in der Werbung tätig. So hat er als Marketing-Assistent bei Readers Digest gearbeitet, danach als Konzeptioner in verschiedenen Agenturen - 14 Stunden am Tag. Bis er nicht mehr konnte und ausgebrannt war - als junger Mensch von 30 Jahren. Er hat sich besonnen. Er hat immer nach Menschen gesucht, nach Kontakten, nach Gesprächen. Und er fand den Ausweg - in den Werten seiner Großmutter. Das Umdenken von der Pike auf hat ihn zu einem Neustart geführt. Auf einen neuen Weg. Jetzt ist er längst bei sich angekommen - und bei den Menschen, die Pflegebrauchen  und bei denen, die für ihn und sein Unternehmen arbeiten. Seit 22 Jahren arbeitet Richard Viziotis in der ambulanten Pflege. Und es geht nicht nur darum, Kranke möglichst gut zu behandeln. Er muss zusammen mit seiner Frau Christine wirtschaftlich arbeiten - in einem Wachstumsmarkt, in dem sich heute viele herumtummeln, auch viele schwarze Schafe. Fast alle seiner Kunden und Patienten kommen auf Empfehlung, auf Referenz, einige über ihren Hausarzt, neuerdings auch übers Internet. ,,Es ist wichtig, einen guten Job zu machen, das spricht sich herum, so werden wir empfohlen."

Das Geheimnis seines Erfolges , und seiner Firma, die heute rund 30 Mitarbeiter zählt, haupt- und nebenberuflich. ,,Patienten brauchen Zeit und Zuwendung. Wir geben beides. In den meisten Krankenhäusern hat man für die Menschen kaum Zeit und sie erhalten kaum Zuwendung. Das Krankenhaus von heute muss funktionieren, es ist nicht an die Menschen angepasst."  Bei ihm melden sich dann meist die Kinder, die Enkel - wenn die Mutter, der Großvater stürzt, und die Frage plötzlich im Raum steht: ,,Wohin mit dem Patienten, wenn der Bruch operiert ist und der Kranke entlassen wird?" Dann heißt es: ,,Sie sollten sich ambulante Pflege holen." So kommt der Kontakt zustande. ,,Meine Mutter kann ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen, aber sie will zu Hause bleiben und nicht ins Heim" - eine typische Anfrage an Viziotis. Es ist oft auch schwierig für die Betroffenen selbst, sich helfen zu lassen. Denn das setzt die Einsicht voraus, dass man hilfsbedürftig geworden ist, auf Hilfe anderer angewiesen und ein Stück der eigenen Autonomie verloren hat, endgültig. Betroffene sehen ihre Lage also oft anders als ihre Kinder. ,,Das ist oft ein schwieriger Einstieg, aber wir können vermitteln." Dann wird oft ein zweimaliger Hausbesuch täglich vereinbart. „Da lässt sich eine Beziehung aufbauen, so entsteht Schritt für Schritt Vertrauen. Schließlich wirken Patient und Pfleger oft sehr lange zusammen."Unsere längste Pflege? Das war eine MS-kranke Frau, die haben wir 14 Jahre lang bettlägerig gepflegt, mit 44 Jahren ist sie erkrankt, und wir haben Jahr um Jahr vier bis fünf Hausbesuche gemacht - täglich natürlich."

Wie hält man das aus, wie hält man durch? ,,Die in der Pflege tätigen Menschen müssen überdurchschnittlich belastbar sein, wir geraten ja in fremde Familien und deren Schicksale hinein, wir wissen, wo es weh tut in der Pflege. Deshalb haben wir uns schon vor 18 Jahren einen Psychotherapeuten als Supervisor geholt. Das gibt Stütze und Halt. Denn wir, meine Frau und ich, sind als Chefs verantwortlich für das Klima hier im Unternehmen, wir müssen unsere langjährigen Mitarbeiter 'pflegen', wir diskutieren hier jeden neuen Fall."

Und so kümmert sich der Pflegedienst Stuttgart-West auch um Demente. ,,Gott sei Dank gibt es wenige zündelnde Demente!". Oft verlieren sich gerade Frauen in der Pflege ihrer Männer. "Wir ermöglichen diesen Menschen, einmal loszulassen, ins Theater zu gehen, wir wollen sie entlasten." So arbeitet man auch im Fachbeirat Pflege der Landeshauptstadt sowie bei der Demenzinitiative Stuttgart-West  mit, die beispielsweise Kaffee mit Musik für Angehörige organisiert. Und der Pflegedienst Stuttgart-West  ist Mitglied im Palliativ Care Netzwerk Stuttgart. ,,Denn wir kümmern uns auch um sterbende, um totkranke Menschen, bei krebskranken Patienten nehmen wir Kontakt zu ,,Brückenschwestern" auf. Ja, wir dürfen auch Morphine spritzen. Denn Menschen brauchen Freiheit von Schmerzen. So begleiten wir den Weg des Patienten, ermöglichen es mit, zu Hause sterben zu dürfen." Nachts werden dann Sitzwachen organisiert. Viziotis sagt: ,,Wenn jemand wirklich zu Hause sterben will, dann lässt sich das organisieren. Denn Heim oder Zuhause - die Kosten sind vergleichbar. Beides ist teuer. Aber am Geld scheitert es nicht."

So erleben Viziotis und die Seinen sehr unterschiedliche Menschen. Manche leiden  jahrelang vor sich hin. ,,Dann erleben wir Patienten, die morgens beim Besuch noch wach und lebendig sind und mittags plötzlich tot im Rollstuhl sitzen, akute Lungenentzündung und Herzstillstand." Dann begleitet er die Angehörigen, die oft in der Stunde des Todes nicht wissen, was zu tun ist.

Wie  aber steht es in so einem Leben mit der Lebensfreude? „In so einem Beruf müssen Sie sehr achtsam mit sich selbst umgehen! Sie müssen sich gegenseitig achten, das Gespräch suchen und vor allem nicht sich selbst ständig überfordern. Das Betriebsklima ist entscheidend. Wir bauen keinerlei Druck auf. Das Team steuert sozusagen sich selbst. ,,Beziehung schafft Vertrauen - ein Schlüsselsatz, der nach innen wie nach außen gilt!" So haben die Mitarbeiter des Pflegedienst Stuttgart-West ihre eigene Beziehungs-Infrastruktur, eingebettet in eine wertschätzende Unternehmenskultur. Richard Viziotis fährt einmal im Jahr mit seiner Frau Christine in die Schweiz zur Supervision – „als Paar, als Chefs nehmen sie des weiteren an Seminaren teil. Und Urlaub ist natürlich wichtig."

„Daneben bereichern uns die drei Kinder: Die Tochter, 22 Jahre, studiert Sportwissenschaft, der Sohn, 20 Jahre, möchte nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr Theologie studieren und der Jüngste, 17 Jahre, macht nächstes Jahr sein Abitur.“ Ein leidenschaftlicher Mensch, Richard Viziotis.